Sant’Anna di Stazzema – Gedenkort für eins der schlimmsten Massaker des 2. Weltkrieges
Die Geschichte von Sant’Anna di Stazzema
Das Dörfchen Sant’Anna di Stazzema befindet sich am Südrand der Apuanischen Alpen in der toskanischen Gemeinde Stazzema. Das Dorf mit etwa 30 Einwohnern besteht aus einem kleinen Ortskern mit Kirche und Museum, dem Nationalpark des Friedens und dem Beinhausdenkmal sowie einigen Häusergruppen. Das scheinbar ungetrübte Idyll inmitten der Natur erlangte durch ein unfassbares Massaker während des 2. Weltkrieges traurige Berühmtheit.
Ruhiges Dorfleben seit dem 16. Jahrhundert
Die Entstehung des Dorfes datiert sich zurück auf das 16. Jahrhundert. Zu jener Zeit wurden die umliegenden Hügel als Weideland von Bewohnern des Nachbarortes Farnocchia benutzt. Traditionell verdienten die Bewohner ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft, wo sie unter anderem Kastanienmehl, Milch und Käse produzierten, aber auch Schweine züchteten. Die Brennholzgewinnung und Holzkohleerzeugung waren über lange Zeit ebenfalls wichtigste Haupterwerbsquellen im Dorf. Seit der Etruskerzeit entwickelte sich zunehmend der Bergbau in der Region.
Das Massaker 1944
Bekannt wurde der Ort für ein Nazi-Gemetzel an Zivilisten während des Zweiten Weltkrieges. Rings um das Dorf sind zahlreiche verstreute Weiler und Bauernhöfe. In diese schützende Bergregion flohen viele Bewohner der Küstengebiete vor den Bombenangriffen der Alliierten und kämpften dort oft als Partisanen. Doch weder unter den Partisanengruppen noch unter der Bevölkerung herrschte Einigkeit. Einige sympathisierten mit den italienischen Faschisten, andere bekämpften diese. Außer Partisanen hielten sich auch entflohene Strafgefangene aus dem Gefängnis von Massa und deutsche Deserteure in und um Sant’Anna di Stazzema auf. Durch eine Spitzel wurde das den deutschen Truppen bekannt.
Darauf folgte ein beispielloser, vermutlich von Rache getriebener Mord-Feldzug durch die Fraktionen der Region. In Vaccarceccia, Franchi, Coletti und Colle wurden Bewohner in Ställen zusammengetrieben und brutal erschossen oder mit Handgranaten umgebracht. Anschließend verbrannten die Faschisten ihre Leichen.
Seinen Höhepunkt erreichte das sinnlose Gemetzel in Sant’Anna di Stazzema am Morgen des 12. August 1944. Gemeinsam mit einheimischen Faschisten umzingelten 4 Kolonnen der SS das winzige Örtchen an den Hängen der Apuanischen Alpen. Hunderte Menschen, hauptsächlich Kinder, Frauen und Alte, wurden aus den umliegenden Häusern und der Schule zum Hauptplatz geholt und ermordet. Die genaue Opferzahl ist unklar. Die Angaben schwanken zwischen 400 und 560. Sehr viele Leichen waren stark verbrannt und wurden in Massengräbern verscharrt, was die Opferidentifizierung später schwierig machte.
Die Friedensorgel von Sant’Anna di Stazzema
Die Massaker wurden von den Nazis als Rache und Einschüchterungsakt an der lokalen Bevölkerung verübt, die sich im Kampf gegen die Besatzer der Partisanenbewegung angeschlossen hatte. Dabei war den Faschisten nicht einmal die Kirche heilig. Sie zerstörten die kleine Kirchenorgel mit ihren Maschinengewehren. Es folgte jahrelange Stille. Die Musik war mit der Orgel aus der Kirche verschwunden. Erst 2007 kehrte sie zurück.
Heute kehren viele Besucher, die den historischen Hintergrund kennen und Frieden suchen, in die Pfarrkirche des Dorfes aus dem 16. Jahrhundert ein. Nicht nur zur Andacht, sondern auch für Konzerte trifft man sich hier. Nach der Naziinvasion von 1942 wurde die Kirche restauriert. Die kleine Orgel der Kirche von Sant’Anna erklang von der Zerstörung zum letzten Mal am Tauftag des jüngsten Opfers Anna Pardini. Nach jahrzehntelangem Schweigen kehrte die Musik am 29. Juli 2007 dank der neuen, von Glauco Ghilardi gebauten Friedensorgel in die Kirche zurück. Sie ist heute ein Symbol für den Frieden.
Gedenkstätte und Widerstandsmuseum
Auf Initiative von Enio Mancini, welcher das Massaker als Junge überlebte, wurden in Sant’Anna di Stazzema eine Gedenkstätte und ein Museum aufgebaut. Die ehemalige Grundschule des Dorfes beheimatet das Widerstandsmuseum. Es ist ein kleines, aber umfassendes Museum, das den Beitrag der Versilia zum Befreiungskampf erklärt. Dazu regt die Ausstellung des Museums gleichzeitig zum Nachdenken über die Werte des Widerstands an. Außerhalb des Gebäudes befindet sich neben dem Grabstein mit einer von Calamandrei geschriebenen Ode über Kesselring eine plastische Reproduktion eines Details von Picassos „Guernica“.
Nationalpark des Friedens in Sant’Anna di Stazzema
Der Nationalpark des Friedens in Sant’Anna di Stazzema lohnt ebenfalls einen Besuch. Der Park erstreckt sich über die hügelige Umgebung des Dorfes. Am Museum vorbei führt ein Fußweg zu einem großen Beinhausdenkmal zum Gedenken an die Opfer des Massakers. Der Weg umfasst Darstellungen des Kreuzwegs mit den Szenen des Massakers und der Gewalt. Neben den Bildern wird auch die Passion Christi gezeigt. Das Beinhausdenkmal selbst ist ein 12 Meter hoher Turm mit vier Bögen. Es wurde vom Architekten Tito Salvatori und dem Bildhauer Vincenzo Gasperetti geschaffen. Im Ossario ist in einem Marmorsarkophag die Gestalt einer ermordeten Mutter mit ihrem Kind dargestellt. Ein Grabstein neben dem Ossario enthält die Namen und das Alter der Toten, die identifiziert wurden. Im März 2013 wurde Sant’Anna di Stazzema vom deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck besucht, um der Opfer zu gedenken.
Enrico Pieri überlebte als Kind das Massaker. Er übertrug sein Haus in Sant’Anna an die Gemeinde und den „Parco Nazionale de la Pace“. Hier wird mit Unterstützung der deutschen Regierung eine Jugendbegegnungsstätte entstehen.
Sant’Anna di Stazzema im Film
Sant’Anna um die Zeit des Massakers wird im Film „Buffalo Soldiers ’44 – Das Wunder von St. Anna“ von Spike Lee gezeigt. Auch der Dokumentarfilm „Das zweite Trauma – das ungesühnte Massaker von Sant´Anna di Stazzema“ von Jürgen Weber thematisiert das damalige Kriegsverbrechen.
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Panorama von Sant’Anna di Stazzema von Friedensorgel von Sant’Anna di Stazzema von
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